Haben Sie heute schon ein Manifest geschrieben? Na dann wird es aber langsam Zeit. Andernfalls verpassen Sie den Trend der Zeit und das wollen Sie doch nicht. Was? Sie wissen nicht worüber Sie schreiben sollen? Na dann nehmen Sie doch ein paar Selbstverständlichkeiten, paaren diese mit gängigen Trendthemen und fügen eine Prise – ach was, nehmen Sie ruhig eine gute Schüppe voll – Idealismus hinzu und fertig ist die Laube. Ja meine Damen und Herren, Manifeste können so schön einfach sein. Im Übrigen gibt es das Wort auch 1:1 im Englischen, weshalb sicherlich bald der Erste vom „männifest“ reden wird.
Ähnlich wie der Schnee auf der A20 schneit es jedenfalls so viele Manifeste, dass ich das Gefühl habe, wir hätten vorher einen wirklichen Notstand gehabt. Diese inhaltliche Leere machte mich auch ganz mürbe, ähnlich wie damals lange Trabbifahrten den Ostberliner, weshalb erst mal der Gebrauchtwagenmarkt in Castrop Rauxel geplündert wurde. Die Frage ist aber letzten Endes: Brauchen wir diese Thesen wirklich oder kämen wir auch nicht ohne ganz prima klar? Der gute alte Luther hatte damals wenigstens noch die Kirche gespalten und 95 Thesen an die Wand gedübelt, wobei er nebenbei sein Leben riskierte. Von dieser Romantik sind die heutigen 10-12 Zeiler weit entfernt und das einzige was riskiert wird ist die Fassung, die mancher Betrachter zu verlieren droht.
Ich fange mal mit den eigenen Sünden an. Auch wir gehören der FOMA an und auch wir haben ein Manifest (zu finden auch in selbigem Blog). Nun ja, es bleibt ihm gut zu halten, dass es zumindest den Standpunkt einer Interessensgemeinschaft darlegt, die sich bisher eher im Schatten bewegt hat. Ob die Reihung von Eingeninteressen die Achsstellung der Erdkugel bewegt, möge der geneigte Betrachter entscheiden.
Angefangen mich über die manigfaltige Verbreitung der Manifestierung des Grauens zu wundern habe ich mich nach der Netzjournalismus-Postille und ähnlichem Geplänkel bei Slow Media. Diese Meisterwerk wartete auf mit bahnbrechenden Erkenntnissen wie nachhaltig zu kommunizieren, Qualität spürbar machen, auratisch sein (was auch immer das heißen soll) oder den Nutzer ernst zu nehmen. Nun dazu möchte ich folgende Dinge mit auf den Weg geben: Bitte erst den Deckel auf dem Klo hoch klappen, spülen hinterher nicht vergessen und Händewaschen. Alles andere bekommt ihrer Aura nicht. Was um alles in der Welt ist daran jetzt neu? Nennen Sie mir ein seriöses Unternehmen bzw. dessen Marketingverantwortlichen der freimütig behauptet: Unsere Qualität ist von gestern, wir nehmen Nutzer nicht ernst, Nachhaltig ist nur meine Kantinenbonuskarte und Aura hat nur die 20-jährige Praktikantin im Lager. Selbst wenn er so denken sollte, wird sein Briefing an die Agentur etwas anders aussehen.
Nun sind wir also beim Media-Manifest und das ist zugegeben qualitativ deutlich besser als Slow Media, wird aber dadurch nicht unbedingt eine neue Bibel. Im Grunde wird hier nämlich nur das aufgegriffen, was eh schon alle wissen oder was auch schon lange vor der Social Media Revolution galt bzw. schlichtweg Quatsch ist. Communities sind im Kommen, man muss mit ihnen umzugehen wissen und versuchen, ins Gespräch zu kommen (am liebsten positiv), man braucht neue Konzepte, es muss anders gedacht und geplant werden und wir brauchen andere Währungen. Stimmt alles! Wenn wir uns aber nun erst mal die Entwicklung der vielen Portale anschauen sehen wir a) dass auch klassische Seiten wie T-Online oder bild.de ordentlich zulegen, während b) eine VZ-Gruppe in Teilen schon strauchelt. Bei allem Zielen auf die Communities sollte man also nicht vergessen, dass es auch immer noch ein web 1.0 gibt, das in weiten Teilen noch nicht am Ende seines Wachstums ist. Der Couch Potato wird ebenfalls überleben, ob mit oder ohne Laptop. Ein Credo Konsumenten zu Fans zu machen, ist ehrlich gesagt nicht neu, sondern eine Devise die vor 10-15 Jahren aufkam und damals in der Hauptsache unter dem Titel Branded Entertainment, Product Placement (sie erinnern sich an den Z3 in Goldeneye?) etc. firmierte. Es gibt im Web 2.0. neue Wege der Verbreitung, aber die Idee ist ein alter Hut. Meine Lieblingsthese ist allerdings „Globales Dorf statt Nielsen Gebiete“. Was wollen die mir jetzt damit sagen? Das ich für Kabel Baden Württemberg besser einen Foreneintrag auf fischkopf.de mache oder das jemand, der aus Frankfurt am Main dank Facebook-Freundschaft genauso denkt wie ein Gleichaltriger in Frankfurt an der Oder? Global Village und Nielsen Gebiete schließen sich im Grunde gar nicht aus sondern sind zwei verschieden Facetten die es zu beachten gilt. Bei aller Vernetzung und Egalisierung von Grenzen, bleibt ein Schwabe im Kern „schwäbisch“ und ein Holländer ein schlechter Autofahrer. Und was halten denn Sie davon, wenn jedes Unternehmen im Social Umfeld vom Waschmittel bis zur Versicherung mit Ihnen kommunizieren will oder sie zu Fans bekehren möchte? Ich kann nur für jeden Nutzer beten, dass dies niemals eintritt, ansonsten werden Ihre Webfreunde zu 75% aus bloggenden Marketers bestehen und dann reden Sie nur noch mit Leuten wie mir. Hässliche Vorstellung – glauben Sie mir, ich weiß wovon ich spreche!
Wie sieht nun mein Manifest aus? Ich kann es in 5 Thesen fassen:
1. Medienverhalten ändert sich dauernd und man muss adäquat drauf reagieren.
2. Social Media braucht Beachtung, Web 1.0. keine Verachtung.
3. Heiße Luft bleibt heiße Luft.
4. Frieden ist für alle gut.
5. Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist.
Hier blogge ich nun, ich kann nicht anders. Amen!