Wenn es September wird und die dmexco naht, dann gibt es ein paar jährlich wiederkehrende Phänomene. Spötter nennen die dmexco deshalb auch die Murmeltiertage des Digitalen Marketings. Eines dieser Phänome ist der alljährlich publizierte Mahnbescheid (in Form einer Pressemitteilung), den die Organisation Werbungtreibender im Markenverband (OWM) in leicht abgewandelter Form an die Fachmedien verschickt. Auch dieses Jahr hat die OWM wieder vier Forderungen aufgestellt, „um die Herausforderungen der Digitalisierung erfolgreich meistern zu können“, so die OWM-Vorsitzende Tina Beuchler. Im Kern geht es dabei um ein weitere Standardisierung im Digitalen Marketing, größere Transparenz sowie um Maßnahmen zur Qualitätssicherung und gegen AdBlocker.
Durch dieses PR-technisch erfolgreiche Vorgehen entsteht oft der Eindruck, dass es ausschließlich die OWM ist, die den Markt (Agenturen und Vermarkter) vor sich her treibt. Dabei sieht die gelebte Realität deutlich anders aus. Gerade die in der FOMA organisierten Online-Mediaagenturen (zu denen auch mediascale zählt) haben – allerdings ohne größeren Trommelwirbel – im absolut konstruktiven Dialog mit Kunden und Vermarktern sehr viel Basisarbeit geleistet, gerade was Marktstandards betrifft. Und das nicht nur öffentlichkeitswirksam zur dmexco, sondern gerade zwischen den jährlichen Messeterminen.
Es wäre daher wünschenswert, wenn die OWM für nächstes Jahr ihre PR-Strategie ändern könnte. Und dann neben durchaus berechtfertigten Forderungen auch aufzeigen würde, welche Erfolge in den abgelaufenen zwölf Monaten durch wen erarbeitet wurden. Denn einen strukturell und technisch immer komplexer werdenden Markt wie Online-Media kann heute keine einzelne Fraktion mehr steuern und entwickeln. Das geht nur in einem konstruktiven Miteinander von Werbungtreibenden, Publishern bzw. Vermarktern und Agenturen. Und wie immer funktioniert eine solches Zusammenspiel am besten, wenn es von einem Verständnis der Partnerschaftlichkeit getragen wird. Gott sein Dank leben wir diese Partnerschaft in der täglichen Praxis.
Da die Forderungen der OWM für mediascale bereits normaler Bestandteil unseres Alltags sind, hat Wolfgang Bscheid für wuv.de einmal ausführlich auf den Forderungskatalog geantwortet. Und da die Antworten bei w&v leicht gekürzt sind, hier die Position der OWM und die Statements von mediascale in Gänze:
OWM Forderung 1 – Marktstandards
„Werbungtreibende brauchen integrierte Planungsmodelle sowie Leistungs- und Wirkungsnachweise über alle Kanäle, Devices, Anbieter und Werbeformen hinweg. Vieles ist bereits auf dem Weg, aber nichts ist fertig. Wir appellieren eindringlich an die Marktpartner und insbesondere die Vermarkter, in ihren Bemühungen, in den Gremien von AGF, AGMA und AGOF die nötigen Standards zu entwickeln, nicht nachzulassen und erwarten auch von den Marktforschungsinstituten einen Beitrag, um zügig zu den geforderten Modellen zu kommen.“
Diese Forderung können wir nur unterstützen. Speziell der Verband der Online Mediaagenturen (FOMA) versucht seit langem in den Gremien von AGF, AGMA und AGOF deutlich zu machen, dass hier akuter Handlungsbedarf besteht. Denn die aktuellen Angebote entsprechen nicht mehr den Anforderungen von Werbungtreibenden und Agenturen. Daher begrüßen wir, dass auch der OWM die Probleme identifiziert hat. Je mehr Druck aufgebaut wird, desto größer ist die Chance auf Veränderung. Aus unserer Sicht sind dabei die grundlegenden Forderungen weitgehend ausformuliert. Was fehlt, sind die entsprechenden Umsetzungsinitiativen, die dafür sorgen, dass neue überarbeitete Angebote zeitnah in den Markt kommen.
OWM-Forderung 2 – Qualität
„In mehreren Bereichen zeigen sich massive Qualitätsprobleme im Markt. Neben den zum Teil dramatisch sinkenden Sichtbarkeitsraten gibt es immer wieder Meldungen über Ad Fraud, der Non-Human Traffic wächst und für das Thema Brand Safety ist immer noch keine Lösung gefunden. Das vom Onlinevermarkterkreis (OVK) jüngst formulierte Leistungsversprechen bietet eine gute Basis, die Probleme in den Griff zu bekommen. Jetzt müssen diese Qualitätssicherungsmaßnahmen von den Vermarktern zügig und nachhaltig umgesetzt werden.“
Ja, auch wir als Agentur stellen fest, dass Phänomene wie Ad Fraud und Non-Human Traffic in letzter Zeit wieder vermehrt auftreten. Aber im Gegensatz zum OWM sehen wir nicht, dass das bei der richtigen Betreuung zu massiven Qualitätsproblemen in den Kampagnen führt. Denn mittlerweile gibt es auch sehr effiziente Möglichkeiten/technische Lösungen der Qualitätskontrolle. An dieser Stelle muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass viele Kunden gerade im Bereich Performance Display ganz bewusst auf jegliche Art der Qualitätssicherung zu Gunsten eines vermeintlich guten Abverkaufs-Ergebnisses (CPO) verzichten. Vor allem im Bereich Programmatic Advertising arbeiten viele Kunden ohne jegliche Reichweiteneinschränkung. Da ist es nicht verwunderlich, wenn Anbieter hier alle Möglichkeiten ausschöpfen, extrem günstigen Traffic bereit zu stellen. Ein Kunde der Wert auf Qualität legt und auch bereit ist, dafür einen höheren TKP in Kauf zu nehmen, kann die oben genannten Phänomene wie Ad Fraud und Non-Human Traffic schon heute weitgehend ausschließen.
OWM-Forderung 3 – Transparenz
„Die Entwicklungen im Bereich Programmatic Advertising eröffnen Werbungtreibenden neue Möglichkeiten zur Optimierung ihrer Marketingkommunikation. Die hier neu entstehenden Wertschöpfungsketten sind jedoch häufig wenig transparent und lassen zum Teil Zweifel daran aufkommen, ob die neu gewonnen Effizienzvorteile immer zugunsten des Kunden ausgeschöpft werden. Alle Marktpartner sind deshalb aufgefordert, ihre Karten auf den Tisch zu legen und für transparente Modelle zu sorgen. Dazu gehört unter anderem, geeignete Reportings für Real Time Advertising sowie Programmatic Buying aufzusetzen. Gleichzeitig sind die Werbungtreibenden in der Pflicht, besondere Aufmerksamkeit walten zu lassen, denn die Hoheit über Kunden- und Kampagnendaten liegt beim Kunden. Es kann und darf nicht sein, dass diese Daten von einzelnen Dienstleistern für andere als die im Kundenauftrag definierten Zwecke verwendet oder sogar weiterveräußert werden.“
Auch in diesem Punkt ist es weniger das Thema Programmatic Advertising an sich, das Probleme bereitet, sondern vielmehr der jeweilige Umgang damit. Nichts womit wir im Bereich Programmatic Advertising zu kämpfen haben, ist wirklich neu. Viele dieser Phänomene sind auch bei Drittvermarktung und im Affiliate Marketing Teil des Spiels. Gibtr es Probleme, dann vielleicht auch deshalb, weil einige Werbungtreibende dem Heilsversprechen von Programmatic Advertising blind folgen, ohne einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Vielleicht ist das ein bisschen typisch für unsere Zeit. Die Angebote werden immer komplexer und technisch anspruchsvoller. Da ist es nicht immer leicht, exakt zu verstehen, was sich hinter Begriffen wie RTA, RTB, DSP, SSP, etc. verbirgt. Aber genau hier setzt die Funktion einer guten und seriösen Mediaagentur an. Dem Kunden einerseits neue Möglichkeiten zu eröffnen, ihm aber gleichzeitig aufzuzeigen, welche Risiken sich dabei ergeben können. Wer so vorgeht, wird speziell durch Programmatic Advertising mit Sicherheit neue Möglichkeiten zur Optimierung der Marketingkommunikation erschließen können.
Der zweite Punkt, die OWM Forderung nach mehr Transparenz, also der Umgang mit Daten, zeigt die deutlich zunehmende Sensibilität der Kunden für dieses Thema. War es noch vor nicht allzu langer Zeit vielen Kunden egal, wer (z.B. über ihre Re-Targeting Kampagnen) Zugriff auf ihre Daten hatte, so hat sich die Situation mittlerweile deutlich verändert. Und trotzdem geht bei einem Großteil der Werbungtreibenden immer noch Performance vor Datensicherheit. Zugegeben, es ist sehr aufwendig, bei einem Zusammenspiel unterschiedlicher Dienstleister und Systeme technisch eine 100prozentige Sicherheit der eigenen Daten zu gewährleisten. Aber auch hier gilt: Der Kunde, der Datensicherheit entsprechend hoch priorisiert und bereit ist dafür gewisse Einschränkungen, bzw. zusätzliche Kosten in Kauf zu nehmen, dem kann man auch heute schon einen weitgehend sicheren Rahmen bieten.
OWM Forderung 4 – Werbebeschränkungen
„Die zunehmende Verbreitung von Adblockern schränkt Werbungtreibende in ihren Werbemöglichkeiten ein und schadet allen: Medien und ihren Vermarktern, Werbungtreibenden und Konsumenten. Deshalb muss das Thema gemeinsam angegangen werden. Medien müssen ihren Nutzern klar machen, dass ihre Angebote werbefinanziert sind und die Nutzer wiederum müssen diese Tatsache akzeptieren, wenn sie die Angebote weiter kostenfrei nutzen wollen. Vermarkter müssen ihr Inventar so einsetzen, dass die Seiten nicht mit Werbung überfrachtet sind. Und Werbungtreibende müssen ihren Beitrag leisten zu akzeptierter Digitalwerbung, die informativ, relevant und kreativ ist. Weitere wichtige Bausteine für mehr Qualität sind zum Beispiel Native Adertising, optimiertes Targeting sowie Frequency Capping.“
Ja, auch diese Forderung können wir als Agentur nur unterschreiben. Zumal User, die einen Adblocker nutzen, für Sitebetreiber und Vermarkter keinerlei Nutzen bieten. Aus unserer Sicht gibt es derzeit eigentlich nur eine Ursache, warum Medien nicht den vom OWM geforderten Schritt gehen. Sie haben schlicht Angst davor, über eine entsprechende Initiative noch mehr User auf das Thema aufmerksam zu machen und damit gleichzeitig die Adblocker-Nutzung zu erhöhen. Am Ende wird es aber keine andere Möglichkeit geben, als den User vor die Entscheidung zu stellen, entweder Inhalte inklusive der entsprechenden Werbung, die zu deren Finanzierung dient, zu akzeptieren oder sich andere Plattformen zu suchen. Ich hoffe, die Vermarkter stellen sich sehr bald dieser Situation.